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Meldung vom: | Verfasser/in: Kai Uwe Totsche
Das Interview ist in Der Odenwald 2-2024 in gekürzter Fassung erschienen. Lesen Sie hier die ausführliche Version anlässlich des Weltwassertags 2024.
1. Herr Professor Totsche, Sie forschen im nördlichen Odenwald im Rahmen eines Projektes Klima-Wasser-Wald. Können Sie die Grundzüge und die Veranlassung für das Projekt erläutern?
Mit besonderem Augenmerk auf Grundwasserneubildung und Grundwasserschutz, entwickeln wir gemeinsam mit einem Wasserzweckverband und in Kooperation mit den Kommunen und dem Forstamt Maßnahmen für eine nachhaltige Forstnutzung und klimawandelresistente Waldentwicklung. Lassen Sie mich aber zuerst den Hintergrund skizzieren, vor dem wir unsere Forschungsarbeiten durchführen und weiterentwickeln. In unserem Ansatz begreifen wir Wälder, selbst Monokulturen, als zusammenhängende Prismenmosaike, die den ober- und unterirdischen Raum und auch die Grundwasserkörper „aufbauen“.
Odenwaldbesucher und -Besucherinnen, die mit offenen Augen spazieren, wissen, wie vielfältig und wechselhaft sich Waldökosysteme präsentieren: Hier ein Tümpel, da eine Auflichtung, links ein Dachsbau, dort ein felsiger Bereich, rechts ein Ameisenhaufen, vorne eine schattige Wildschweinsuhle, daneben eine Äsungsfläche, vorne eine ausgeräumte Kahlfläche, da eine Verbuschung und Jungwuchsfläche. Es wechseln Hänge, mit Ebenen und Senken, Laub-, Misch- und Nadelbestände, unterschiedliche Baumaltersstrukturen und Artenzusammensetzungen, lichte und dichte Bestände, ab – und so weiter und so fort. Schließen wir immer mal wieder die Augen, eröffnet sich uns weitere Vielfalt: Es wechseln warm-feuchte mit kühl-trockenen, vogelgezwitscheraufgeregte mit schweigenden, modergeruchverströmende mit pilzduftenden Bereichen, schwammmoosige und humusweich-nachgebende mit schotterrutschigen, wurzelstolprigen oder felsigen Untergründen. Selbst in den noch so intensiv genutzten Kiefernmonokulturforsten gibt es aber eine weitere, faszinierende Vielfalt, die sich jedoch im Verborgenen unter unseren Füßen entfaltet.
Wir finden sie in der komplex strukturierten Abfolge aus Böden, Aerationszone und dem tieferen, wassergesättigten Bereich mit den Grundwasservorkommen. Auch hier gibt es regelrechte Landschaften und Biotope, wenngleich auch auf kleineren Skalen, zu erkunden: Poren und Kluftwände im Kontakt mit fließenden Wasser, abgeschottete, nahezu isolierte Bereiche, vielfältige und vielzählige Bewohner und Nahrungsnetze, harsche Umweltschwankungen und auch Klima und Wandel untertage – allesamt Gegenstände unserer Forschung.
Die mannigfaltige Vielfalt dokumentiert sich aber auch in unterschiedlichen geologischen Schichten aus verschiedenen Locker- und Festgesteinen und Mineralien sowie der Vielgestaltigkeit des Hohlraumnetzwerkes aus Klüften und Poren. Schauen wir auf Kluft- und Porenoberflächen, beispielsweise auch anhand eines Lesesteins oder -Blocks im Waldboden, werden schon mit bloßem Auge Krusten oder Verfärbungen erkennbar, die aus einer enormen Vielzahl von organischen Substanzen und sekundären Mineralphasen geformt sind.
Und auch in den durchziehenden Wässern des Untergrunds, einschließlich des Grundwassers, findet sich eine weitere enorme chemische, ökologische und physikalische Variabilität an Inhaltsstoffen und Eigenschaften.
Eine direkte Folge dieser Vielfalt an Räumen und Landschaften im Untergrund ist die unglaubliche Diversität des unterirdischen Lebens, von Mikroorganismen, über die Gliederfüßer im Grundwasser bis hin zu den im Boden lebenden Wirbeltieren und Pflanzenteilen. Nicht zu vergessen: Die Viren. Unschwer lässt sich verstehen, dass diese „Welt unter unseren Füßen“ und insbesondere auch die Grundwasserkörper Lebensräume und Ökosysteme sind, die für uns Menschen überlebenswichtige „Ökosystemleistungen“ erbringen.
Diesen Begriff möchte ich kurz erläutern: Ökosysteme versorgen uns Menschen kostenfrei, aber ökonomisch werthaltig und überlebensnotwendig, mit Wasser, Nahrung, und Rohstoffen. Grundlage für diese offensichtlichen Nutzen sind die Leistungen der Ökosysteme, u. a. die Herstellung und Aufrechterhaltung der Bodenfruchtbarkeit, die Aufreinigung des Sickerwassers und die Speicherung des Grundwassers, die Biomasseproduktion, die unterirdische Kohlenstoffspeicherung und die Biodiversität. Nicht so offensichtliche, aber für uns Menschen gleichsam wichtige Leistungen sind auch die, die unser Wohlbefinden steigern, für emotionale und körperliche Erholung sorgen, aber auch spirituelle Bedürfnisse befriedigen. Alle Ökosystemtypen, oberirdische wie unterirdische, erbringen diese Leistungen in spezifischer Weise, und natürlich auch der (Oden-)Wald: Er ist Ort für Erholung und Freizeitgestaltung, dient der Gewinnung von nachwachsenden Rohstoffen und verschiedensten Nichtholz-Forstprodukten, bildet Boden, schafft grüne Pharmazeutika, bietet Lebensraumvielfalt, beeinflusst den Wasserhaushalt, bietet Schutz, reinigt das Sickerwasser und spendet Grundwasser.
Waldökosysteme, ober- und unterirdisch betrachtet, sind fundamental für unsere Trinkwasserversorgung und deren Qualität. Darüber hinaus sind sie Komponenten des natürlichen Klimaschutzes und der Klimawandelfolgenabschwächung, ein reicher Genpool für die -Anpassung, für die Ausbildung bzw. Stärkung der Ökosystem-Resistenz und -Resilienz, für die Regulation des Regionalklimas sowie des Landschaftswasserhaushaltes, aber auch für den Schutz vor Wetter- und Witterungsextremen.
Damit kommen Wäldern und ihrer Bewirtschaftung eine zentrale Rolle bei der Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen, der Urproduktion, sowie in der Anpassung an und Abschwächung der Folgen des Klimawandels zu. Uns als Waldbesucher, Waldbesitzer, oder Waldbewirtschafter erwächst daraus eine besondere Verantwortung für Bewahrung, Aufrechterhaltung und Wiederherstellung dieser verschiedenen Ökosystemleistungen und verpflichtet uns zu einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung unter Berücksichtigung dieser Ökosystemleistungen nicht nur in den Grundwasserneubildungsgebieten. Aber gerade das Beispiel Grundwasser beleuchtet dabei eines unleugbar: Da Grundwasservorkommen aus Sickerwasser aus dem gesamten Einzugsgebiet gespeist werden, beeinflusst auch eine kleinräumige Nutzung letztendlich Menge und Qualität des Grundwassers. Oder anders ausgedrückt: Die in einer Waldparzelle durchgeführten waldbaulichen Maßnahmen, und seien sie noch so marginal, entfalten eine meist zeitlich verzögerte, aber messbare spezifische, vorübergehende oder andauernde Wirkung im Ökosystem Grundwasser. Vorausgesetzt natürlich, dass die hydrogeologischen Verhältnisse eine Grundwasserspende und Tiefenzirkulation ermöglichen und Wässer nicht durch geringdurchlässige Schichten gestaut oder als Zwischenabfluss abgeführt werden.
Entwickeln wir den vorherigen Gedanken noch ein Stück weiter: Jede (land-)nutzungsbedingte Verringerung der Grundwassermenge oder Verschlechterung der Grundwasserqualität führt letztendlich zu einer notwendigen Regulierung der Verbrauchsmengen oder zu einer aufwändigeren Aufbereitung von Rohwasser, um Trinkwasserqualität zu erreichen. Beides hat steigende Trinkwasserpreise sowie eine Verknappung oder im Extremfall eine Rationierung zur Folge. Und das betrifft nicht nur die Konsumenten im privaten Bereich über die öffentliche Wasserversorgung, sondern auch die landwirtschaftlichen, gewerblichen und industriellen Verbraucher, und nicht zuletzt auch unsere Feuerwehren.
2. Sind allgemein Grundwasserveränderungen zu konstatieren und betreffen sie ganze Landschaften?
Diese Fragen müssen wir eindeutig mit „Ja“ beantworten, auch wenn wir regional deutliche Unterschiede beobachten bzw. erwarten. Generell nehmen in vielen Grundwasserregionen Zentral- und Südeuropas, aber auch weltweit, die Grundwasservorräte ab. Die Gründe dafür sind zahlreich, können aber in den allermeisten Fällen direkt oder indirekt mit dem Tun des Menschen in Zusammenhang gebracht werden. Verursacht werden die tendenziell abnehmenden Mengen durch eine Kombination aus Abnahme der Grundwasserneubildung sowie zunehmende Entnahmen, auch aufgrund neuer bzw. zusätzlicher Nutzungen sowie steigender Nutzerzahlen. Für die sich verringernde Grundwasserneubildung sind der Klimawandel, als indirekte Folge des menschlichen Handelns, sowie der Landnutzungswandel, als direkte Folge des menschlichen Handelns, ursächlich. Letzterer zeigt sich bei uns in Zentraleuropa und insbesondre in Deutschland an der nach wie vor anhaltenden Versiegelung und Inanspruchnahme von Flächen für Verkehr, Siedlung, und Wirtschaft zu Lasten der Landwirtschafts- und Forstflächen sowie der Wildnisse. Aber auch in den Veränderungen der Böden und der Vegetation und im wachsenden Nutzungsdruck auf das Grundwasser. Die Veränderung der Grundwasserneubildungsprozesse führt daher bilanziell vielerorts zu einer Verringerung der Grundwasserneubildung sowie, bisher weniger beachtet, zu einer Veränderung der Grundwasserqualität. Dabei sind die im Klimawandel zu suchenden Ursachen für die verringerte Grundwasserneubildung ebenfalls sehr komplex und nicht nur auf die meteorologischen und hydrologischen Faktoren Niederschlag, Verdunstung und Abfluss beschränkbar. Auch die klimawandelbedingten Änderungen von Bodeneigenschaften sowie von Vegetationstypen und Artenzusammensetzungen tragen zu einer standorttypischen und nicht-proportionalen Verschiebung der Verhältnisse von Niederschlag zu Verdunstung und Abfluss bei. Als Beispiel sei hier auf die für den Landschafts- bzw. Bodenwasserhaushalt dramatischen Konsequenzen infolge des Umbaus von Nadelwaldbeständen zu Misch- bzw. Laubwaldbeständen, verwiesen, wie dies an vielen Standorten geschieht und geschehen muss. Dadurch verändern unter anderem Verdunstungsmengen und deren saisonale Verteilung, aber auch der Bestandsniederschlag. Und ich habe hier noch ansatzweise die Konsequenzen für die Böden und letztendlich die Grundwasserqualität andiskutiert, die sich aus der Kombination von Klima- und Vegetationsänderungen ergeben, zum Beispiel im Hinblick auf den Umbau der organischen Humusformen.
Im Fazit können wir also festhalten, dass in vielen Regionen die Grundwassermenge abgenommen hat und tendenziell abnehmenden wird. Es ist also ein Gebot der Vorsorge und des Bevölkerungsschutzes, hier restaurierende und vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, um eine sichere Versorgung mit Trinkwasser zu gewährleisten. Gleichzeitig muss aber auch der Natur eine ausreichende Wasserversorgung sichergestellt werden. Lassen Sie uns aber einen positiven Ausblick auf die Zukunft werfen: uns stehen bereits sehr viele, einander ergänzende technische und naturbasierte Lösungen zum Schutz und zur Verbesserung der Grundwasserneubildung zur Verfügung. Wir müssen sie nur in die Praxis umsetzen!
3. Wie steht es um die Qualität unseres Grundwassers? Gibt es hier Unterschiede zwischen den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft oder bebaute Gebiete?
Den Begriff „Qualität“ des Grundwassers möchte ich zunächst einordnen. In der modernen Hydrogeologie wird darunter nicht mehr nur die chemische Beschaffenheit, also die Gesamtheit der gelösten Inhaltsstoffe verstanden. Vielmehr wird er mittlerweile viel weiter begriffen und umfasst die Vielzahl gelöster und kolloidaler organischer Substanzen, suspendierte Stoffe, wie z. B. den Gesteinsfragemente oder mineralorganische Assoziate, aber auch die physikochemischen Eigenschaften wie z. B. Säuregehalt, osmotisches und Redoxpotential, die physikalischen Eigenschaften wie Dichte, Oberflächenspannung, Wärmeinhalt, die biologischen Eigenschaften wie Vielfalt an Organismen sowie die ökologischen Eigenschaften, darunter Wechselbeziehungen der Arten untereinander und zu ihrer Umgebung. Dieser erweiterte Qualitätsbegriff spiegelt unser Wissen wider, nach dem Grundwasser nicht nur als „unterirdisches Wasser“ aufzufassen ist: Grundwasserkörper erfüllen alle Kriterien für komplexe Ökosysteme!
Hinsichtlich der Differenzierung der verschiedenen Landnutzungen darf ich nochmal daran erinnern, wie das Wasser eines Grundwasserkörpers bzw. eines Grundwasserleiterkomplexes gebildet wird, denn die Frage „Woher kommts?“ ist keine einfach zu beantwortende. Sie setzt eine umfangreiche standortkundliche Analyse voraus, die deutlich über eine forstliche oder geologische Standortaufnahme hinausgeht. Sie muss den Raum vollständig erfassen und selbstredend den unterirdischen Raum integrieren!
Welche anthropogene Prägung wir mit Blick auf die Landnutzungstypen im Grundwasser und zusätzlich zu dessen natürlicher Prägung beobachten bzw. messen können, hängt vom spezifischen Landnutzungsmuster und der unterirdischen Architektur des Grundwassereinzugsgebietes ab. Wie bereits erwähnt, versammelt das Grundwasser das Sickerwasser aus den darüberliegenden geologischen Schichten und den Böden sowie der spezifischen Landnutzung an der Oberfläche. Die Sickerwasserqualität hängt ab von den atmosphärischen sowie den landnutzungstypischen Einträgen, von den Wechselwirkungen mit dem Boden sowie mit der Abfolge von Gesteinen, durch die das Sickerwasser strömen muss, und schließlich von den Wechselwirkungen und Prozessen im Grundwasserköper selbst! In überwiegend landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebieten finden wir neben den ubiquitär vorhandenen und persistenten Umweltchemikalien, die über die atmosphärischen Einträge auf die Landoberfläche gelangen, die typischen Stoffklassen im Grundwasser. Dies sind Pflanzenschutzmittel, Düngemittel, Veterinärpharmazeutika sowie deren Metabolite, aber auch immer wieder Einträge von Mikroorganismengemeinschaften, die die landwirtschaftliche Praxis in den Oberböden bevorzugen und die daher periodisch mit dem Sickerwasser in den Untergrund verfrachtet werden. Überwiegend forstwirtschaftlich genutzte Einzugsgebiete weisen bei uns aufgrund des geringen Einsatzes kaum Pflanzenschutz- oder Düngemittel auf. Dort sehen wir aber dennoch eine eindeutige Signatur, die sich mit der Vegetationszusammensetzung ergibt. Je nach Einzugsgebiet überwiegen hier die freigesetzten Elemente aus der Gesteinsverwitterung sowie gelöste natürliche organische Verbindungen. Wir finden im Grundwasser unter Wald aber auch persistente Stoffe mit ubiquitärer Verteilung. Interessanterweise können im Grundwasser unter Wäldern auch Substanzen festgestellt werden, die mit dem Gebrauch von Insektenschutzmitteln verbunden sind. Ganz anders verhält es sich in Grundwassereinzugsgebieten mit überwiegend urbaner und industrieller Prägung. Hier finden wir im Wasser nahezu das gesamte Spektrum an Stoffen, die der Mensch in den letzten 150 Jahren industriell hergestellt hat, einschließlich ihrer Um- und Abbauprodukte, sogenannte Metabolite.
Mit Blick auf die Gegenwart ist die Grundwasserqualität vielerorts noch als gut zu bezeichnen. Allerdings sind auch in der Entwicklung der Qualität Veränderungen beobachtbar und absehbar, die eine Veränderung hin zu mehr Aufbereitungsaufwand bedeuten werden. Frühzeitig ergriffene Maßnahmen zum Schutz bzw. zur Verbesserung der Grundwasserqualität werden helfen, den zu betreibenden Aufreinigungsaufwand und damit die Kosten gering zu halten. Anhand der spezifischen stofflichen Spektren von Fremd- und Naturstoffen können wir mit den uns zur Verfügung stehenden analytischen Verfahren die Landnutzungsmuster und Charakteristik des Einzugsgebietes rekonstruieren. In Kombination mit computergestützten numerischen Ausbreitungsmodellen können wir sogar die Eintragsorte und Eintragszeitpunkte sehr eng eingrenzen. Damit finden unsere Methoden und Verfahren auch Anwendung in der forensischen Arbeit.
4. Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um die Grundwasserspende in Menge und Qualität zu erhalten. Gibt es Entwicklungstendenzen?
Zunächst möchte ich noch einmal auf unseren grundlegenden Ansatz zu sprechen kommen: Ziel unseres Projektes ist es nicht, nur die Grundwassermenge und Qualität zu maximieren. Vielmehr sollen mit der Umsetzung der von uns bereits vorgeschlagenen Maßnahmen gleichzeitig mehrere Ökosystemleistungen optimiert werden: neben der Sicherstellung und Verbesserung der Grundwasserneubildungsmenge und Sickerwasserqualität geht es um die Wiederherstellung bzw. den Schutz einer standorttypischen Biodiversität, die Förderung der unterirdischen Kohlenstoffspeicherung sowie um die Gewährleistung von Forstproduktion. Damit ist es die Aufgabe, auf Basis der standörtlichen, ober- wie unterirdischen Gegebenheiten Flächenelemente zu identifizieren, auf denen entweder technische oder naturbasierte Maßnahmen umgesetzt werden können. Hierzu führen wir zunächst computergestützte Raumanalysen auf Basis eines bei uns am Lehrstuhl für Hydrogeologie entwickelten Ansatzes zur Rekonstruktion des Naturraummosaiks durch. Neben vielen anderen Neuerungen berücksichtigt dieser Ansatz den unterirdischen Aufbau, also die geologischen, strukturgeologischen und hydrogeologischen Gegebenheiten. So entwickeln wir spezifische Maßnahmen nicht nur auf Basis der Oberflächeninformationen, sondern berücksichtigen den Untergrundaufbau. Zum Beispiel dahingehend, ob das an einer bestimmten Stelle infiltrierende Niederschlagswasser den unterlagernden Grundwasserkörper tatsächlich speist oder ob es auf geringdurchlässige, stauende Schichten trifft. Da solche Lokalitäten zwar nicht zur Grundwasserspende beitragen, können Maßnahmen jedoch für die weiteren Ökosystemleistungen optimiert werden.
Hinsichtlich der Verbesserung des Landschaftswasserhaushalts und der Grundwasserneubildung haben wir für jene Bereiche auf Basis der Raumanalyse beispielsweise Flächenelemente identifiziert und spezifische Maßnahmen vorgeschlagen, die zu einer Verweilzeiterhöhung meteorischen Wassers im Einzugsgebiet führen und das Wasserspeichervermögen im unterirdischen Raum erhöhen. Diese Analyse haben wir mittlerweile auch auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen erweitert, sodass mittlerweile alle wesentlichen Flächennutzungen des Einzugsgebietes in die Maßnahmenumsetzung integriert werden können. Aktuell installieren wir Pilotstandorte im Wald. Dort wird ein Vegetations- und ein Wasserhaushaltsmonitoring aufgenommen, um die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen zu prüfen und um gegebenenfalls die Maßnahmen anpassen zu können.
5. Die "Wasserfrage“ ist ein wichtiger Faktor für unsere Lebensqualität. Was kann der Einzelne in dieser Hinsicht, auch über das Grundwasser hinaus, tun. Sollten wir auch unseren Wasserverbrauch kritisch überprüfen?
Bezüglich des individuellen Wasserverbrauchs möchte ich gerne vorsichtig Entwarnung geben. Der sorgsame und sparsame Umgang mit der Ressource Wasser ist in Deutschland eine weit verbreitete Tugend. Wassersparmaßnahmen waren und sind – auch aus Gründen der steigenden Kosten mit der öffentlichen Wasserver- und Entsorgung – im kollektiven Bewusstsein und Verhalten angekommen. Sorgen bereiten mir hier, zumindest mittelfristig für die nächsten ein bis zwei Dekaden, jedoch die zusätzlichen Nutzungsansprüche an die Grundwasserressourcen im Zusammenhang mit den eingetretenen Folgen des Klimawandels. Grundwasser steht vielerorts bereits unter einem hohen Nutzungsdruck. Den Wunsch und die Notwendigkeit, Grundwasser zukünftig verstärkt auch in der Landwirtschaft, im Obst- und Gemüsebau, aber auch in der Forstwirtschaft, hier zur Bewässerung von Neupflanzungen, zu nutzen, aber auch für die Bereitstellung von Löschwasser heranzuziehen, werden wir mit einem „weiter wie bisher“ im Landschafts- und Wassermanagement nicht befriedigen können. Hier muss es zu einem Umdenken und einem Paradigmenwechsel in der Raumplanung kommen. Sonst werden wir in immer kürzeren Abständen und an einer wachsenden Anzahl von Standorten die bisher noch selten und vereinzelt in Deutschland auftretenden Versorgungsengpässe und Verteilungskonflikte beobachten. Die gemeinsame Entwicklung von spezifischen, gerechten und sozial verträglichen Lösungen zu Sicherstellung der Wasserversorgung unter Einbeziehung der Betroffenen sollte uns daher Verpflichtung sein.
Der gerechte und soziale Zugang zu ausreichendem und sauberem Trinkwasser wie auch die Versorgung mit gesunden und ausreichenden Lebensmitteln hängen am Schutz und der schonenden, nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen der verschiedenen ober- und unterirdischen Ökosysteme. Grundlage dafür ist die Sicherung oder aber Wiederherstellung der Ökosystemleistungen, die uns durch fruchtbare Böden und Grundwasserökosysteme erbracht werden und im Kern an die Biodiversität geknüpft sind. Die Qualität der Ökosystemleistungen ist zentral für unser aller Überleben, für Wohlstand, aber auch für sozialen Frieden. Uns allen sollte es daher eine vornehme Aufgabe und Verpflichtung sein, diese Leistungen entsprechend hochzuschätzen und alles in unserem Vermögen stehende zu tun, diese für uns und unsere nachkommenden Generationen zu bewahren. Schützen werden wir letztendlich nur das, was wir zu erkennen vermögen und dadurch zu verstehen lernen. Ein wichtiger Schritt hin zu dieser Einsicht ist der Wille und der Mut zu eben dieser naturgesetzlichen Einsicht. Auf unserem Planeten Erde hängt im Naturkreislauf alles mit allem zusammen. Der Mensch ist eine wesentliche und gestaltende Komponente in diesem komplexen Netzwerk. Jedwede Tätigkeit hat gegebenenfalls langanhaltende, generationenüberspannenden Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund gilt es für den einzelnen und die Allgemeinheit, das Handeln auf die direkten und indirekten Folgen hin zu prüfen und zu bedenken. Als Handlungsprimat sollte dies bedeuten, um im Sinne Immanuel Kants zu argumentieren, nicht den individuellen eigenen Vorteil zu maximieren, sondern das soziale, das Wohl der Allgemeinheit „mitzudenken“: bei Allem, was wir tun, sollten wir die möglichen Folgen berücksichtigen, um im Wechselspiel multipler Ziele die optimale Lösung zu finden. Konkret bedeutet das zum Beispiel für Waldbesitzer, die aus ihrem Wald einen wirtschaftlichen Nutzen ziehen möchten, die Bestandsgründung nicht ausschließlich an der wirtschaftlichen Erfolgsvermutung zu orientieren. Vielmehr sollten in der Planung auch die verschiedenen Ökosystemleistungen, die einen Mehrwert für die Allgemeinheit schaffen, hochrangig berücksichtigt werden. Und, nicht zu vergessen, bei der Entscheidungsfindung müssen die standörtlichen Gegebenheiten wie Exposition, Ausgangsgestein, Bodenaufbau und zukünftige Entwicklungen wie bspw. mittelfristige Änderungen des Lokalklimas einbezogen werden. Dies mag dem Einzelnen eine schier unlösbare Aufgabe zu sein. Hier möchte ich aber nachdrücklich für Entwarnung plädieren. Forschung und Praxis haben sich bereit vor über einem Jahrzehnt aufgemacht und beschäftigen sich mit zunehmender Intensität mit diesen Herausforderungen. Mittlerweile liegt schon eine beachtliche Anzahl von Lösungsansätzen vor. Deren Umsetzung werden in Weiterbildungen und Schulungen kommuniziert und durch diverse, auch internetbasierte Informationsmaterialien sowie Entscheidungshilfen und Empfehlungen flankiert. Nahezu jedes Bundesland ist dabei oder hat mittlerweile die notwendigen Geoinformationen über digitale Portale bereitgestellt. Dabei werden auch immer mehr konkrete „Best-Practice“-Beispiele ausgespielt. Mit den immer weiter verbreiteten und zunehmend kostengünstigeren oder sogar kostenfreien Fernerkundungsprodukten und Geoinformationen und Inventuren, werden auch die notwendigen raumzeitlichen Informationen über die Wirksamkeit der getroffenen waldbaulichen Maßnahmen verfügbar. Diese können so in die Entscheidungen einfließen, was es erlaubt, mögliche Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen, um die Maßnahmen entsprechend anzupassen. Dabei werden in nächster Zukunft auch die vielfältigen Anwendungen aus dem Bereich des maschinellen (tiefen) Lernens und – vulgo künstliche Intelligenz genannt – für die Praxis verfügbar gemacht. Diese neuen Möglichkeiten werden dabei nicht nur den „Großen“ in der Wald- und Forstwirtschaft zur Verfügung stehen, sondern absehbar kostengünstig lizensierbar auch den Bewirtschaftern und Bewirtschafterinnen von kleinen Waldparzellen und den Waldbesitzergemeinschaften zur Verfügung stehen. Auch hierfür gibt es bereits sehr erfolgreiche Beste-Praxis-Beispiele. Eine Bereitschaft ist aber unter allen Bedingungen zu fordern: nicht nur das Privileg, ein Stück Natur sein eigen nennen zu können, sondern die sich damit verbindende Pflicht, dieses Eigentum auch zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen. Und das bedeutet eben auch die Bereitschaft und die Mühen zur Weiterbildung, um sich den ständig wachsenden Stand des Wissens und der Technik zu Nutze zu machen.
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