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Grundlagenorientierte Forschungsschwerpunkte
Die Prozessforschung in natürlichen und anthropogen beeinflussten, belebten, heterogenen Systemen auf unterschiedlichen Skalen definiert das Leitmotiv für unsere Forschungsarbeiten (Bio-Geo-Interaktionen). Ziel ist es, zu einem vertieften mechanistischem Verständnis von Architektur, Dynamik und der Funktionen von Geo- und Pedosystemen zu gelangen. Das bedeutet, die komplexen Wechselwirkungen, Antagonismen und Synergismen der physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse aufzuklären, Theorien zu bilden, und in geeigneten mathematischen Modellvorstellungen zu abstrahieren und zu beschreiben. Dabei wird immer deutlicher, dass die Phänomene auf der Kontinuumskala, wie zum Beispiel dem Pedon eines land- oder forstwirtschaftlichen Schlages, durch biogeochemische und biophysikalische Prozesse und Eigenschaften kontrolliert und beeinflusst werden, die auf der molekularen und atomaren Skala ablaufen. Eine der zentralen wissenschaftlichen Herausforderungen ist es daher, die dabei auftretenden extremen Skalenübergänge, die neun Größenordnungen im Raum (vom nm zum m) und bis zu 21! Größenordnungen in der Zeit (fs-Gs) umfassen können, quantitativ zu fassen und mechanistisch zu beschreiben.
Eine wesentliche Voraussetzung hierfür ist es, ein "Bild" vom Aufbau und der Struktur, mithin der "Architektur" natürlicher poröser Medien und ihrer zeitlichen Veränderung zu erhalten. Mit der Forschung in der Hydrogeologie in Jena versuchen wir daher, ein Fenster in den opaken Untergrund Boden, Ungesättigte Zone und Grundwasserleiter zu schaffen. Die Kombination modernster bildgebender spektroskopischer, mikroskopischer und tomographischer Verfahren mit der prozessorientierten mathematischen Modellbildung sowie der Modellierung quantenchemischer Prozesse stellt dabei einen vielversprechenden Ansatz dar, mit dem es möglich wird, die Struktur natürlicher poröser Medien zur rekonstruieren, ihre zeitliche Dynamik quantitativ abzubilden sowie den Zusammenhang von Struktur und Funktion aufzuklären. Dabei stehen nanopartikuläre bzw. kolloidal natürliche sowie synthetische Mischphasen immer wieder im Fokus, da diese in vielfältger Weise die Eigenschaften und Funktionen von natülichen porösen Medien beeinflussen. Dieser integrative experimentelle und theoretische Ansatz wird in der Grundlagenforschung in der Hydrogeologie in Jena im Rahmen von unterschiedlichen Projekten und mit verschiedenen Projektpartnern systematisch verfolgt.
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Anwendungsorientierte Forschungsschwerpunkte
Ein weiteres Aufgabenfeld hat die Hydrogeologie in Jena im anwendungsorientierten Bereich der Geo- und Pedopotentiale Thüringens sowie in der Bodentechnologie. Bei ersterem steht die Erkundung, Beurteilung, und Nutzbarmachung der Böden und des Untergrunds im Hinblick auf Geothermie, Stoff- und Energiespeicherung/Sequestrierung, sowie das Reinigungsvermögen natürlicher poröser Medien im Vordergrund. Letzteres zielt auf die systematische Entwicklung von bodenbasierten Techniken zur Lösung von Problemen im vorsorgenden und nachsorgenden Grundwasser- und Bodenschutz und bei der Sanierung und Rekultivierung.
Durch die gezielte Verstärkung und Optimierung von natürlich ablaufenden Prozessen sowie die Verwendung und intelligente Kombination von Bodenmaterialien und Bodenprozessen werden Verfahren und Methoden zu Schutz und Sanierung entwickelt. Klassische Beispiele hierfür sind Pflanzenkläranlagen, Mieten, Deponieabdeckungen, Geruchs- und Gasfilter (z.B. für Ausgasungen aus tieferen Bodenschichten, Friedhöfen). Jüngere innovative Konzepte, die hier an der Hydrogeologie in Jena verfolgt werden, sind die "intelligenten Flächenfilter", bei denen es um den Rückhalt und den Abbau von unerwünschten Stoffen geht, die durch menschlich Tätigkeiten direkt oder diffus auf und in Böden gelangen.
Der Bereich der Sanierungstechnik, hier insbesondere der Bodentechnologie, gewinnt eine immer größere wirtschaftliche Bedeutung. Denken wir nur an die systematische Zerstörung und Vergiftung der Bodenressourcen und Grundwasserreservoire in Südamerika, den Tigerstaaten, Indien und China. Hier erwachsen Probleme, die bereist jetzt direkte Auswirkungen auf die Gesundheit und die Lebenserwartung der Menschen haben. China hat dieses Problem mittlerweile erkannt und wird mittelfristig entgegensteuern. Das wird eine Nachfrage nach intelligenter und bezahlbarer Schutz- und Sanierungstechnik mit sich bringen. Die Forschungsthemen der Hydrogeologie an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena im Anwendungsbereich sind Entwicklung innovativer Sanierungstechniken, Entwicklung von "intelligenten Flächenfiltern" und Pedo-/Geopotentiale Thüringens.
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Hydrogeosphäre und Leistungen der Critical Zone
Die Hydrogeosphäre ist zentrales Bindeglied zwischen den globalen Informations-, Stoff- und Energiekreisläufen. So entstammen fast 25% des atmosphärischen Kohlenstoffs aus biologischen Prozessen, die in Böden ablaufen. Böden enthalten doppelt soviel Kohlenstoff wie die gesamte Atmosphäre und dreimal soviel Kohlenstoff, wie in der gesamten Vegetation gespeichert ist. Doch nicht nur die globalen Stoffkreisläufe werden durch die "dünne Haut der Erde" kontrolliert. Eine zentrale Funktion haben die unterirdischen Kompartimente der Critical Zone als Puffer-, Speicher-, Filter- und Umwandlungsmedium für Wasser, aber auch für gelöste und partikuläre Stoffe. Die Qualität des Trinkwassers, dass zu einem großen Teil den Grundwasserreservoiren, den Flüssen und Seen entstammt, wird in entscheidender Weise bestimmt durch die Eigenschaften der Böden, der Ungesättigten Zone und Aquifere, durch die und über die es geflossen ist.
Der Schutz, die Sicherung und Wiederherstellung dieser für unser Überleben so zentralen Funktionen sind dabei untrennbar geknüpft an ein Verständnis der biogeochemischen und biogeophysikalischen Prozesse und Mechanismen, die die Grundlage dieser Funktionen sind.
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Wälder im (Klima-)Wandel ...
Wälder sind neben den landwirtschaftlich genutzten Flächen und den Mooren die zentralen Schlüsselglieder für unsere Bemühungen, die unvermeidlichen Folgen des Klimawandels abzumildern, aber auch im Rahmen des Klimaschutzes die natürlichen Kohlenstoffsenkenfunktion insbesondere des „Bodens unter unseren Füßen“ zu verstärken. Unabdingbar ist hierfür jedoch die Notwendigkeit zur Anpassung der Nutzungsformen und Bewirtschaftungsstrategien dieser Ökosysteme. Häufig wird bei der Maßnahmenentwicklung zur Anpassung unserer Wälder an die Folgen des Klimawandels übersehen, dass Wälder zahlreiche, der Biomasseproduktion in Form von Holz gleichwertige, essenzielle und damit unverzichtbare Ökosystemleistungen erbringen. Dies sind ihr Vermögen, bei entsprechender Nutzung als effiziente und nachhaltige Kohlenstoffsenken fungieren zu können, ihr Beitrag zur Lokalklimaregulation, zur Reinigung des Sickerwassers, zur Neubildung von Grundwasser weit über die Ausdehnung der Wälder hinaus, zur Bodenfruchtbarkeitsentwicklung, zur ober- und unterirdischen Biodiversität, zum ober- und unterirdischen Genpool, zur „Produktion“ von Nichtholzprodukten (z.B. Wildtiere, Grüne Pharmazeutika), aber auch die Bedeutung unserer Wälder für die mentale und physische Erholung und Freizeitgestaltung. Die Entwicklung von Strategien für resiliente Wälder, die eine nachhaltige Nutzung auch in der Zukunft ermöglichen, sollte diese Vielzahl an Ökosystemleistungen simultan berücksichtigen, mithin auf einem systemisch-synoptischen Ansatz basieren.
Im Rahmen der F-, E- & D-Studie – einer Teilstudie zu Vorsorgender & nachsorgender Boden- und Grundwasserschutz unter den Bedingungen des Klima- und Landnutzungswandels – zielen wir gemeinsam mit unseren Partnern unter anderem aus Kommunen, Behörden der Wald-, Forst- und Wasserwirtschaft, Waldbesitzern und Waldbesitzervereinigungen, darauf ab, mittels eines systemisch-synoptischen und quantitativen Forschungsansatzes, Bewirtschaftungs- und Nutzungsformen zu entwickeln und zu demonstrieren, deren Ziel die simultane Optimierung multipler Ökosystemleistungen (Totsche, 2021; Totsche 2022) ist und die sich eben nicht nur auf die Maximierung einer singulären Nutzung oder Funktion, etwa der Biomasseproduktion, beschränkt. Die im Rahmen unserer Arbeiten gefundenen und verfolgten systemischen Lösungswege sind dabei primär „von der Natur inspiriert“, stellen also naturbasierte Lösungen dar, schließen aber technische Lösungsansätze keinesfalls aus. Insbesondere werden die naturbasierten Lösungswege dann mit technischen Maßnahmen gekoppelt, wenn durch diese Kopplung im Rahmen der Optimierung eine markante Steigerung des Schutzes, der Wiederherstellung oder der Effizienz der multiplen Ökosystemleistungen erreicht werden kann. Die Arbeiten im Rahmen dieser Studie finden aktuell in diversen Gebieten in ausgewählten Mittelgebirgsregionen Mittel- und Südostdeutschlands statt (vgl. Kohlhepp et al. 2017Externer Link). Die Gebietsauswahl erfolgte unter der Maßgabe, die für die Nutzung und Neubildung von Grundwasser wichtigsten Standorte und Lithologien mit überregionaler Bedeutung abzudecken, in denen - nicht nur in Deutschland - Grundwasser zur Trinkwassergewinnung genutzt wird (vgl. Lehmann und Totsche, 2020Externer Link).
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Publikationen zum F,E&D-Projekt
Totsche, K.U. (2022): Empfehlung prototypischer Maßnahmen für Wasserrückhalt und Grundwasserneubildung in Forst- und Waldeinzugsgebieten. Bericht. HyGeo FSU. S. 1-21.
Totsche, K. U. et al.(2021): Analyse und Beurteilung klimawandelbedingter Veränderungen in Forst und Wald und deren Auswirkungen auf das Grundwasser. Endbericht. HyGeo FSU. S. 1-49
Lehmann, R., Totsche, K. U. (2020) Multi-directional flow dynamics shape groundwater quality in sloping bedrock strata. Journal of Hydrology 580, 124291. https://doi.org/10.1016/j.jhydrol.2019.124291Externer Link
Kohlhepp B., Lehmann R., Seeber P., Küsel K., Trumbore S. E., Totsche K. U. (2017) Aquifer configuration and geostructural links control the groundwater quality in thin-bedded carbonate-siliciclastic alternations of the Hainich CZE, central Germany. Hydrol. Earth Syst. Sci. 21, 6091-6116. https://doi.org/10.5194/hess-21-6091-2017Externer Link